Mental Devastation – The Delusional Mystery of the Self Part 1

Beitragsdatum:Mai 2022
Autor/in:Manni
Name der Band:Mental Devastation
Albumtitel:The Delusional Mystery of the Self Part 1
Erscheinungsjahr:2021
Genre:Progressive Thrash Metal
Link:Bandcamp

Erst im Dezember und damit fast zu spät dafür, meine Wahl zur Scheibe des Jahres 2021 noch einmal zu revidieren, verpassten „Mental Devastation“ mit ihrem zweiten Album „The Delusional Mystery of the Self Part 1“ meiner Realität einen gehörigen Riss.Musik ist Erlebnis. Schubladen und Vergleiche, Worte und Gedanken, Abstraktionen und Konzeptekönnen naturgemäß keine einzige Erfahrung auch nur entfernt wiedergeben. Aber irgendwie muss ich euch ja ins Boot holen. Wir reden also von Progressive Thrash, Bay Area Style. Auch wenn Frisco vom chilenischen Aufnahmeort geographisch weiter entfernt ist als Oldenburg von Bangkok.Es handelt sich aber eben NICHT um eine weitere Eskapade südamerikanischer Halbstarker, die unter dem Gewicht ihrer Nieten und Munitionsgurte kaum anders können, als abermals Slayer nachzueifern…

Nee. Mit der genialen Intro von Felipe (Guitarre) und Matías (Guitarre, Keyboard) geht es von der ersten Sekunde an zurück zum Anfang der 90er. Ihr Beitrag ist bald liebevoll mystisch wie bei Despair, bald kaltblütig und technisch wie bei Testament. Die hohen Noten aus Alejandros Fretless Bass klingen sicher nicht ganz unabsichtlich nach Watchtower, aber dann – als der Auftakt jäh abbricht – schreit der Knabe mir seine ganze wahnhafte Selbstauflösung direkt in den Geist und Nicolas (Drums) explodiert mit einer hasserfüllt stampfenden, geradezu Atheist-ischen Schießerei. Die mentale Verwüstung lässt nicht den geringsten Zweifel mehr daran, worum es ihr hier geht: Hochintelligenter und detailstrotzender Thrashmetal, der auch beim zehnten Durchhören noch Überraschungen offenbart. Mit „The Abyss“ schließlich machen die Jungs einen weiteren Punkt in Sachen Riff- (Coroner!) und Songwriting und mich damit endgültig zum Fan.

„READ through pages of suffering
TORMENT made flesh will terrify
LIES Ignorance
I now will repair my insights

RISE from the darkest dreams i’ve ever had
PASS the gates to recognize
DARK paths were build
DAYS were shaping memories
That led ourselves through the trauma!“

Zeilen wie diese spuckt mir Alejandro hier im Maschinengewehrtakt entgegen wie der blutgeiferndeWerwolf Gmork (die Verkörperung der Lüge), der gerade der Anwesenheit seines Todfeindes Atréyu (der Phantasie) gewahr geworden ist. Und zwar ohne Unterlass – bis auch ich endlich meine Einsichten repariere. Nämlich dass natürlich da kein Selbst ist, nicht einmal ein mysteriöses. Schubladen und Vergleiche, Worte und Gedanken, Abstraktionen und Konzepte sind leer und ohne Realitätsgehalt, und das was mir wie ein von der Welt da draußen getrenntes eigenes Wesen zu sein scheint, ist nichts als bloße Dimensionierung universellen Bewusstseins, das sich anders nicht selbstbewusst würde… Okay, für’s Erste sollte es genügen, sich zwar auf den dritten Release der Chilenenzu freuen, aber nicht namentlich auf „Part 2“ dieses Albums, welches mit seinem Titel so auch die menschliche Natur egoistischer Erwartung und Ungeduld verhöhnt, zu warten. Zumindest nicht in diesem Leben.